In Deutschland wachsen nach Schätzungen etwa eine Million Kinder und Jugendliche mit einem alkoholabhängigen Elternteil auf. Für die betroffenen Kinder und Jugendlichen bedeutet das eine große Belastung. Sie leben in einer emotional unsicheren familiären Situation, die durch geringe Verlässlichkeit und Konflikte bis hin zu körperlicher Gewalt geprägt ist. Sie leiden unter Scham- und Schuldgefühlen und haben selten den Mut, sich anderen anzuvertrauen, oft aus Loyalität zu ihren Eltern.
Zudem haben Kinder alkoholkranker Eltern oft mit Spätfolgen zu kämpfen: Etwa zwei Drittel der betroffenen Kinder entwickeln selbst im Laufe ihres Lebens psychische Störungen oder werden alkoholabhängig. Ihr Risiko, später selbst einmal abhängig zu werden oder eine psychische Krankheit zu entwickeln, ist 2,4 bis 6 mal höher als bei gleichaltrigen Kindern aus nicht suchtbelasteten Familien. Sie beginnen in der Regel früher damit, Alkohol zu trinken und betrinken sich auch eher. Bei einigen betroffenen Kindern ist aber auch ein Umkehreffekt zu sehen: Ganz bewusst verzichten sie aufgrund ihrer negativen Erfahrungen im Elternhaus auf Alkohol.
Für die Entwicklung einer Suchterkrankung wirken individuumsbezogene und umweltbedingte Faktoren zusammen. Neben möglichen genetischen und psychischen Dispositionen können negative Kindheitserfahrungen, Gewalterlebnisse, Vernachlässigung, die Nachahmung des elterlichen Trinkverhaltens und andere sozioökonomische Einflüsse dazu führen, dass betroffene Kinder einen missbräuchlichen oder abhängigen Alkoholkonsum entwickeln. Wahrscheinlich ist auch, dass Kinder aus suchtbelasteten Familien ein höheres Risiko haben, den gesundheitsschädlichen Umgang mit Alkohol von ihren Eltern zu erlernen.
Es ist nicht leicht zu erkennen, ob ein Kind alkoholkranke Eltern hat. Eindeutige Kriterien gibt es dafür nicht. Anzeichen können sein:
Fachkräfte oder Ehrenamtliche, die im sozialen, erzieherischen oder medizinischen Bereich arbeiten, können eine wichtige Rolle bei der Unterstützung betroffener Kinder und Jugendlicher einnehmen. Wenn Sie beobachten, dass sich das Verhalten eines Kindes oder eines Jugendlichen verändert oder auffällig ist, suchen Sie das Gespräch mit ihm oder ihr oder mit den Eltern.
Wichtig ist, eine vertrauensvolle Beziehung zu dem Kind oder Jugendlichen aufzubauen. Wenn Sie ins Gespräch kommen, beachten Sie folgende Tipps:
Eltern auf ihre Alkoholprobleme und die Folgen für ihre Kinder anzusprechen, erfordert eine äußerst sensible Vorgehensweise. Nicht selten reagieren sie abwehrend, da sie sich schämen oder ertappt fühlen. Ihr Gesprächsziel sollte sein, die Basis für eine gute Zusammenarbeit zu schaffen, um die Situation des betroffenen Kindes zu verbessern.
Es kann hilfreich für Sie sein, sich mit Dritten zu besprechen. Holen Sie sich beispielsweise Rat von Ihren Kolleginnen und Kollegen. Auch an Suchtberatungsstellen oder Erziehungsberatungsstellen können Sie sich wenden.
Wenn Sie den Eindruck haben, dass das Wohl des Kindes gefährdet ist, müssen Sie handeln. Sie können sich dann an Beratungsstellen öffentlicher und gemeinnütziger Träger der Kinder- und Jugendhilfe (z. B. beim Jugendamt, aber auch bei Erziehungs- und Beratungsstellen) wenden, um eine mögliche Kindeswohlgefährdung abzuklären. Sie haben dort Anspruch auf eine Beratung durch eine insoweit erfahrene Fachkraft (§ 8b SGB VIII).
Anregungen zur kindgerechten Ansprache sowie Hinweise für das Gespräch mit den Eltern finden Sie in folgenden Broschüren, die in Kooperation von BIÖG und Deutscher Hauptstelle für Suchtfragen e. V. (DHS) entwickelt wurden.